US-Cyber­­krieg gegen Kuba

By Published On: Janu­ar 7, 2023Cate­go­ries: News, US Blo­cka­de

Unter­see­ka­bel ver­wei­gert: Auch tech­no­lo­gisch ver­sucht Washing­ton, die sozia­lis­ti­sche Insel­re­pu­blik zu strangulieren

Rosa Miri­am Eliz­al­de, Havanna

In einem über­ra­schen­den Anflug von Auf­rich­tig­keit hat die US-Regie­rung kürz­lich ein­ge­stan­den, dass sie Kubas Zugang zum Inter­net blo­ckiert. Ende Novem­ber emp­fahl das Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um der Fede­ral Com­mu­ni­ca­ti­ons Com­mis­si­on (FCC), der Insel die Geneh­mi­gung für den Anschluss an ein Unter­see­ka­bel zu ver­wei­gern, das Kuba mit dem US-Fes­t­­land ver­bin­det. Die Begrün­dung ist lächer­lich. Sie unter­stellt eine angeb­li­che Gefahr durch die Bezie­hun­gen Kubas zu »aus­län­di­schen Geg­nern« wie Chi­na oder Russ­land, die die Insel als Ein­falls­tor nut­zen könn­ten, um sich in das US-Netz ein­zu­ha­cken. Das »ARCOS‑1«-Unterwasserkabel, das 32 Kilo­me­ter von Havan­na ent­fernt ver­läuft, ver­bin­det 24 Inter­nethot­spots in 15 Län­dern, von denen die meis­ten lang­jäh­ri­ge, sta­bi­le Bezie­hun­gen zu den ver­meint­li­chen »Geg­nern« unter­hal­ten, die Washing­ton so beunruhigen.

Alle Kabel über USA

Nie­mand kann sich durch Zau­ber­wor­te mit dem Inter­net ver­bin­den. Es sind min­des­tens drei Vor­aus­set­zun­gen erfor­der­lich: ein Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­netz, Com­pu­ter oder elek­tro­ni­sche Gerä­te und die Mög­lich­keit zur Nut­zung der ent­spre­chen­den Tech­no­lo­gien. Wer auf einer Insel lebt, ist mehr als anders­wo auf Unter­see­ka­bel ange­wie­sen; 99 Pro­zent des welt­wei­ten Daten­ver­kehrs wer­den über Unter­was­ser­ka­bel abgewickelt.

Das Inter­net wur­de als ein Netz kon­zi­piert, in dem Infor­ma­tio­nen über alter­na­ti­ve Wege über­tra­gen wer­den, um die Sta­bi­li­tät des Daten­ver­kehrs zu gewähr­leis­ten. Sei­ne Ent­ste­hung geht auf einen Erlass von Prä­si­dent John F. Ken­ne­dy nach der soge­nann­ten Rake­ten­kri­se im Jahr 1962 zurück, bei der sich die Ver­ant­wort­li­chen der Anfäl­lig­keit der Kom­­man­­do- und Kon­troll­sys­te­me im Fal­le eines nuklea­ren Angriffs bewusst wur­den. Die Sicher­heit ist heu­te aller­dings gerin­ger als in der Anfangs­zeit des Inter­nets, da fast alle Glas­fa­ser­ka­bel über die USA füh­ren, wo sich das Kern­stück des Net­zes befin­det. Das hat zur Fol­ge, dass jede Infor­ma­ti­on, die von Latein­ame­ri­ka nach Euro­pa über­tra­gen wird, fast immer über den »Net­work Access Point of the Ame­ri­cas« in Miami läuft. Außer­dem sind die Glas­fa­ser­ka­bel, die die Ozea­ne durch­que­ren, im Besitz einer Hand­voll Unter­neh­men, die mit Nach­rich­ten­diens­ten ver­bun­den sind, wie der ehe­ma­li­ge US-Geheim­­di­ens­t­­mi­t­ar­­bei­­ter Edward Snow­den ent­hüllt hat.

Es ist also nicht Kuba, das eine lan­ge und doku­men­tier­te Tra­di­ti­on des Hackens, Spio­nie­rens und Über­wa­chens des Inter­nets hat. Ein Bericht, der im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber von Chi­nas Natio­na­lem Zen­trum für Cyber­si­cher­heit und dem Inter­net­si­cher­heits­un­ter­neh­men Qihoo 360 Tech­no­lo­gy ver­öf­fent­licht wur­de, beschul­digt die Natio­nal Secu­ri­ty Agen­cy (NSA), mehr als 10.000 Cyber­an­grif­fe gegen Chi­na gerich­tet und dabei 140 Giga­byte an rele­van­ten Daten gestoh­len zu haben. Es gibt hin­ge­gen kei­nen ein­zi­gen Beleg dafür, dass Kuba eine Bedro­hung für die Cyber­si­cher­heit dar­stellt. Bedeu­tend ist aller­dings, dass das US-Jus­­ti­z­­mi­­nis­­te­ri­um zum ers­ten Mal ein­ge­steht, dass Washing­ton den Anschluss an das Unter­see­ka­bel ver­hin­dert. Viel­leicht wer­den sie eines Tages auch zuge­ben, dass zu ihren zahl­rei­chen Blo­cka­den der Insel auch die Ver­ei­te­lung des Erwerbs von Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie und die immensen Behin­de­run­gen beim Zugang zu digi­ta­len Diens­ten gehören.

Es lohnt sich, eini­ge Etap­pen des digi­ta­len Krie­ges der USA gegen Kuba Revue pas­sie­ren zu las­sen, um die Hin­ter­grün­de zu ver­ste­hen. Wäh­rend Euro­pa und die meis­ten latein­ame­ri­ka­ni­schen Län­der Mit­te der 1980er Jah­re began­nen, sich mit dem Inter­net zu ver­bin­den, war Kuba mehr als ein Jahr­zehnt lang einer »Routenfilter«-Politik unter­wor­fen, so dass Ver­bin­dun­gen zwi­schen der Insel und dem Ter­ri­to­ri­um der USA blo­ckiert wur­den. Wäh­rend der »Son­der­pe­ri­ode« nach dem Zusam­men­bruch der sozia­lis­ti­schen Staa­ten in Ost­eu­ro­pa änder­te sich die Situa­ti­on Anfang der 1990er Jah­re. Die USA rech­ne­ten damit, dass die Tage des Sozia­lis­mus in Kuba gezählt waren und ent­schie­den sich, eine Art »US-Pro­­pa­­gan­­da-Pipe­­li­ne« ein­zu­rich­ten und digi­tal »Glas­nost« zu for­dern, was den gewünsch­ten Regime­wech­sel in Kuba erleich­tern sollte.

Face­book für Propaganda

Seit 1996 ist es mög­lich, sich auf der Insel mit dem Inter­net zu ver­bin­den, jedoch nur, um auf Infor­ma­ti­ons­in­hal­te zuzu­grei­fen, da es stren­ge Beschrän­kun­gen für kuba­ni­sche Anwen­der gibt. Demo­kra­ti­sche wie repu­bli­ka­ni­sche US-Regie­run­­gen haben die­se Poli­tik bei­be­hal­ten, obwohl Donald Trump eine Stra­te­gie des »maxi­ma­len Drucks« anwand­te, die von der Regie­rung Joseph Bidens bei­be­hal­ten wur­de, um die kuba­ni­sche Wirt­schaft zu erdros­seln. Bei­de Prä­si­den­ten haben Tei­le der exil­ku­ba­ni­schen Ultra­rech­ten in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten ermu­tigt, sich an der Grün­dung pri­va­ter und öffent­li­cher Face­­book-Grup­­pen in Kuba zu betei­li­gen, um dort die öffent­li­che Mei­nung zu beeinflussen.

Es ist doku­men­tiert, dass die­se Grup­pen im Juli 2021 die bis dahin größ­ten Pro­tes­te auf der Insel ange­zet­telt haben. Der inves­ti­ga­ti­ve US-Jour­na­­list Alan MacLeod hat in einer die­ser Grup­pen »under­co­ver« ermit­telt und nach­ge­wie­sen, dass die Haupt­ver­ant­wort­li­chen für die Unru­hen in San Anto­nio de los Baños, der Stadt, in der die Pro­tes­te began­nen, in Flo­ri­da ansäs­sig sind. »Die Ein­mi­schung aus­län­di­scher Per­so­nen in die inne­ren Ange­le­gen­hei­ten Kubas hat ein Aus­maß erreicht, das in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten kaum vor­stell­bar ist«, schrieb MacLeod im Okto­ber 2021 bei Mint Press News.

Jeder, der recher­chiert, kann genü­gend Bewei­se für die Rol­le der US-Regie­rung in der »SOS-Cuba«-Kampagne fin­den, die in den Tagen vor und wäh­rend der Pro­tes­te Tau­sen­de von Ret­weets gene­rier­te. Sie wur­de von Akteu­ren initi­iert, die mit von Washing­ton finan­zier­ten Orga­ni­sa­tio­nen ver­bun­den sind. Von Janu­ar 2017 bis Sep­tem­ber 2021 haben min­des­tens 54 Grup­pen, die »Pro­gram­me« in Kuba durch­füh­ren, nach­weis­lich Mit­tel vom Außen­mi­nis­te­ri­um, der US-Behör­­de für inter­na­tio­na­le Ent­wick­lung (USAID) oder der Natio­na­len Stif­tung für Demo­kra­tie (NED) erhal­ten. Die Sum­men zur Finan­zie­rung die­ser Pro­gram­me rei­chen von einer hal­ben bis zu 16 Mil­lio­nen US-Dol­lar. Das Wei­ße Haus rühmt sich immer wie­der, Per­so­nen und Orga­ni­sa­tio­nen anzu­wer­ben, aus­zu­bil­den, zu finan­zie­ren und ein­zu­set­zen, die »den poli­ti­schen Wan­del« auf der Insel för­dern sollen.

Ver­bin­dung »ver­bo­ten«

Heu­te sind 7,5 Mil­lio­nen Kuba­ner (68 Pro­zent der Bevöl­ke­rung) mit dem Inter­net ver­bun­den, aber sie kön­nen weder »Goog­le Earth« sehen noch »Zoom«-Videokonferenzen nut­zen, kei­ne kos­ten­lo­se Micro­­soft-Sof­t­­wa­re her­un­ter­la­den, nicht bei Ama­zon ein­kau­fen oder inter­na­tio­na­le Domain­na­men erwer­ben, um nur eini­ge der mehr als 200 blo­ckier­ten Diens­te und Anwen­dun­gen zu nen­nen. Wenn Inter­net­pro­vi­der einen Zugriff aus Kuba fest­stel­len, fun­gie­ren sie als Trich­ter und war­nen, dass der Nut­zer eine Ver­bin­dung aus einem »ver­bo­te­nen Land« herstellt.

Die Erklä­rung des US-Jus­­ti­z­­mi­­nis­­te­ri­ums, die klar­ge­stellt hat, dass es die US-Regie­rung ist, die den Anschluss der Insel an das »ARCOS‑1«-Netz ver­hin­dert, ist in gewis­ser Wei­se zu begrü­ßen. Denn sie bestä­tigt, dass Washing­ton das größ­te Hin­der­nis für den kuba­ni­schen Inter­net­zu­gang war und ist.

Rosa Miri­am Eliz­al­de ist ers­te Vize­prä­si­den­tin des kuba­ni­schen Jour­na­lis­ten­ver­ban­des und wird auf der XXVIII. Inter­na­tio­na­len Rosa-Luxe­m­­burg-Kon­­­fe­­renz zum The­ma »Sozia­lis­mus als Vor­aus­set­zung für Frie­den: Das Bei­spiel Kuba« referieren.

https://www.jungewelt.de/artikel/442289.informationen-steuern-us-cyberkrieg-gegen-kuba.html