Inter­view mit Wita aus der West­sa­ha­ra: War­um stu­dierst Du Medi­zin in Kuba?

By Published On: Dezem­ber 15, 2022Cate­go­ries: Geschich­te

02.12.2022 Mar­xis­ti­sche Lin­ke: Kuba hat die Sache der Saha­r­au­is von Anfang an poli­tisch und mate­ri­ell unterstützt. Tau­sen­de jun­ger saha­r­aui­scher Fachkräfte wur­den im Lau­fe der Jah­re in Kuba aus­ge­bil­det. Saha­ra­wi Voice sprach mit Wita, die in Kuba studiert.

Während die NATO-Mächte ihre unerschütterliche Unterstützung für das ukrai­ni­sche Selbst­be­stim­mungs­recht erklären, überlassen sie das Volk der West­sa­ha­ra still­schwei­gend der bru­ta­len militärischen Beset­zung durch Marok­ko. Bereits in den zurückliegenden Jah­ren wur­de der UN-Beschluss zur Durchführung eines Refe­ren­dums über die Unabhängigkeit der West­sa­ha­ra von den NATO-Ländern, der Europäischen Uni­on und ihren Mitgliedsländern nur sehr zurückhaltend und for­mal unterstützt. Sie tole­rier­ten, dass Marok­ko das Refe­ren­dum stets sys­te­ma­tisch hin­ter­trie­ben hat. Zu stark sind die wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen, die sie mit dem marok­ka­ni­schen Besat­zungs­re­gime ver­bin­den, da europäische und US-ame­ri­­ka­­ni­­sche mul­ti­na­tio­na­le Unter­neh­men in einer Rei­he von extrak­ti­vis­ti­schen Indus­trien, im Ener­gie­sek­tor und im Fisch­fang in der roh­stoff­rei­chen West­sa­ha­ra tätig sind.

Zu einem größeren Bruch mit der Posi­ti­on der UNO kam es jedoch in die­sem Jahr, als Wla­di­mir Putin die Ukrai­ne überfiel. Während die Europäische Uni­on die rus­si­sche Aggres­si­on an ihrer Ost­flan­ke zu Recht ver­ur­teilt, unterstützen ihre führenden Staa­ten an ihrer Südgrenze einen marok­ka­ni­schen Plan zur Lösung des Kon­flikts, der auf die ille­ga­le Anne­xi­on eines afri­ka­ni­schen Lan­des durch ein ande­res hin­aus­lau­fen würde. (sie­he kommunisten.de: “West­sa­ha­ra: Neo­ko­lo­nia­le Wen­de in der deut­schen Außenpolitik”)

Ganz anders Kuba. “Ich erin­ne­re mich an den Moment, als wir 1976 die ers­te Dele­ga­ti­on kuba­ni­scher Ärzte emp­fin­gen, die vor Ort den Bedarf an Hil­fe in den Flüchtlingslagern in Südalgerien nach dem Aus­bruch einer Masern­epi­de­mie mit 400 toten Kin­dern beur­teil­ten”, sagt Moha­med Salec, Bot­schaf­ter der Demo­kra­ti­schen Ara­bi­schen Repu­blik Saha­ra (DARS) in Kuba, und ver­weist auf die Aus­bil­dung Tau­sen­der jun­ger saha­r­aui­scher Fachkräfte in Kuba im Lau­fe der Jah­re und die kuba­ni­sche medi­zi­ni­sche Bri­ga­de, die bis heu­te besteht. Zur Bekämpfung der Coro­­na- Pan­de­mie spen­de­te Kuba der Demo­kra­ti­schen Ara­bi­schen Repu­blik Saha­ra 458.000 Dosen sei­nes Impf­stoffs Sober­ana 02.

Als wich­ti­ger Verbündeter im Ent­ko­lo­nia­li­sie­rungs­pro­zess vie­ler afri­ka­ni­scher Länder hat Kuba die Sache der Saha­r­au­is von Anfang an unterstützt und die Demo­kra­ti­sche Ara­bi­sche Repu­blik Saha­ra bereits 1980 aner­kannt und diplo­ma­ti­sche Bezie­hun­gen auf­ge­nom­men. Dabei hat die rote Insel in der Kari­bik die West­sa­ha­ra nicht nur poli­tisch unterstützt, indem es ihre Exil­re­gie­rung der DARS aner­kann­te und die ille­ga­le Beset­zung durch Marok­ko ver­ur­teil­te, son­dern hat seit 1977 Tau­sen­de von Sti­pen­di­en an saha­r­aui­sche Kin­der und Stu­den­ten ver­ge­ben, jun­ge Saha­r­au­is in sei­nen Gym­na­si­en auf­ge­nom­men und an sei­nen Universitäten eine höhere Aus­bil­dung ermöglicht. Kuba bie­tet den jun­gen Saha­r­au­is nicht nur Studiengänge in wich­ti­gen Berei­chen wie Medi­zin, Inge­nieur­we­sen, Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten, Geis­tes­wis­sen­schaf­ten, eng­li­sche Spra­che an, son­dern öffnete mit sei­ner ange­se­he­nen Inter­na­tio­na­len Film- und Fern­seh­schu­le (EICTV) in San Anto­nio de los Baños auch eine wich­ti­ge Tür zum Film­stu­di­um für ein Volk, des­sen Kul­tur stark auf mündlicher Überlieferung beruht.

Seit 1977 haben fast 4.000 saha­r­aui­sche Schüler:innen und Student:innen die kuba­ni­schen Schu­len und Universitäten besucht. Wer heu­te die saha­r­aui­schen Flüchtlingslager besucht, trifft mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit auf einen “Cuba­ra­wi”, ein Saha­r­aui, der Spa­nisch mit kuba­ni­schem Akzent spricht und sich ger­ne an das Leben auf der Insel erinnert.

Seit 1977 haben fast 4.000 saha­r­aui­sche Schüler:innen und Student:innen die kuba­ni­schen Schu­len und Universitäten besucht. Wer heu­te die saha­r­aui­schen Flüchtlingslager besucht, trifft mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit auf einen “Cuba­ra­wi”, ein Saha­r­aui, der Spa­nisch mit kuba­ni­schem Akzent spricht und sich ger­ne an das Leben auf der Insel erinnert.

Medi­zin ist ein tol­ler Beruf. Ich stu­die­re Medi­zin, um mein Volk, mei­ne Fami­lie und mich selbst zu unterstützen. Ich weiß, dass es sehr hart ist und dass der Weg lang sein wird, aber ich bin moti­viert und glau­be, dass ich es schaf­fen kann. Am wich­tigs­ten ist, ich stu­die­re Medi­zin, denn in den Flüchtlingslagern, in denen ich auf­ge­wach­sen bin, wer­den Ärzt:innen gebraucht, und wir als neue Gene­ra­ti­on müssen die­se Lücke füllen.

Wo siehst Du Dich in 10 Jahren?

Ich sehe mich in 10 Jah­ren als Ärztin arbei­ten und ein Fach­ge­biet stu­die­ren, das ich nach mei­nem Abschluss anstrebe.

Mit wel­chen Schwie­rig­kei­ten bist Du als Medi­zin­stu­den­tin in Kuba konfrontiert?

Wir kamen in eine ganz ande­re Gesell­schaft und Kul­tur, was einen Kul­tur­schock auslöste. Aber wir konn­ten uns anpas­sen und uns in die­ser neu­en Umge­bung zurecht­fin­den. Kuba ist ein tro­pi­sches Land, es gibt nur zwei Jah­res­zei­ten, den Som­mer und zwei Win­ter­mo­na­te, und es ist sehr feucht. Wir kom­men aus einer tro­cke­nen Umge­bung, und das war anfangs ein Problem.

Eine wei­te­re Schwie­rig­keit, mit der wir kon­fron­tiert waren und von der wir dach­ten, dass wir sie nicht haben würden, war die Spra­che. Wir kom­men von der Simon Boli­var Schu­le, einer Sekun­­dar- und Ober­schu­le in den Lagern, wo der Lehr­plan und die Leh­rer kuba­nisch sind. Des­halb dach­ten wir, dass es ein­fach sein würde, wenn es um die Spra­che geht. Aber das war es nicht. Es gibt vie­le Begrif­fe, an die wir nicht gewöhnt waren, und der Inhalt ist viel umfang­rei­cher. Die Lehrer:innen sind sehr hilfs­be­reit, und das hat es für uns ein­fa­cher gemacht. Die Unterstützung, die sie bie­ten, ist groß­ar­tig und war am Anfang sehr wich­tig für uns.

Was sind Dei­ne Zie­le nach dem Abschluss?

Mein kurz­fris­ti­ges Ziel ist es, in die Flüchtlingslager zu gehen und als Ärztin zu arbei­ten. Mein lang­fris­ti­ges Ziel ist der Bau eines Kran­ken­hau­ses für Schwan­ge­re. Als jun­ge Frau möchte ich einen Raum bau­en, der alle Pha­sen der Mut­ter­schaft abdeckt und in dem wir die Frau­en während die­ses sehr wich­ti­gen Pro­zes­ses mit allem ver­sor­gen können, was sie brauchen.