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US-Blo­ck­a­­de gegen Kuba auf der Anklagebank

By Publis­hed On: Okto­ber 16, 2023Cate­go­ries: News

9. Okto­ber 2023 Mit­tei­lun­gen der Kom­mu­nis­ti­schen Plattform

Prof. Dr. Nor­man Paech, Ham­burg, im Inter­view mit den »Mit­tei­lun­gen«

 

In der Tra­di­ti­on der Russel-Tribunale

 

Die Fra­gen stell­te Kris­ti­an Gla­ser aus Hamburg: 

Am 16. und 17. Novem­ber wird in Brüs­sel [1] ein inter­na­tio­na­les Tri­bu­nal gegen die US-ame­­ri­­ka­­ni­­sche Finanz‑, Wir­t­­schafts- und Han­dels­blo­cka­de gegen Kuba durch­ge­führt. Das ist ein gerichts­ähn­li­cher Pro­zess mit »Rich­tern«, »Ver­tei­di­gern« und »Anklä­gern«, die die Recht­mä­ßig­keit der Blo­cka­de prü­fen wer­den. Als renom­mier­ter Völ­ker­recht­ler wirst Du die Funk­ti­on des Vor­sit­zen­den Rich­ters über­neh­men. Kannst Du ein aus völ­ker­recht­li­cher War­te beson­ders dras­ti­sches Bei­spiel der Blo­cka­de nennen?

  1. P.: Auf­ga­be des Tri­bu­nals wird es sein, zum einen die unmit­tel­ba­ren Fol­gen der Sanktio­nen und der über sech­zig Jah­re nun schon dau­ern­den Blo­cka­de auf die Bevöl­ke­rung und das Leben in Kuba zu unter­su­chen. Zum ande­ren geht es um die sog. Dritt­wir­kun­gen der Sank­tio­nen auf ande­re Staa­ten und ihre Unter­neh­men, die mit Kuba Han­del trei­ben möch­ten. Das Tri­bu­nal sieht sich in der Tra­di­ti­on der Rus­­sel-Tri­­bu­­na­­le seit dem ers­ten Tri­bu­nal über den Vie­t­­nam-Krieg in Stock­holm und hält sich in sei­ner Unter­su­chung und Bewer­tung streng an das Inter­na­tio­na­le Recht, obwohl es weder die glei­che Stel­lung, Mit­tel und Macht eines offi­zi­el­len Gerichts hat. Es wäre über­flüs­sig, wenn z.B. der Inter­na­tio­na­le Gerichts­hof über die Blo­cka­de ent­schei­den würde.

Ich will der Ver­hand­lung nicht vor­grei­fen, aber beson­ders schwe­re Aus­wir­kun­gen hat die Blo­cka­de auf den Gesund­heits­sek­tor, wo gera­de wäh­rend der Coro­­na-Pan­­de­­mie die Ent­wicklung eines eige­nen Impf­stof­fes sehr stark unter dem Aus­schluss vom inter­na­tio­na­len Markt gelit­ten hat. Es ist eine außer­or­dent­li­che Leis­tung, dass den­noch ein eige­ner Impf­stoff ent­wi­ckelt wurde.

  1. G.: Die US-Blo­ck­a­­de soll erklär­ter­ma­ßen zu Unmut bei Kubas Bevöl­ke­rung füh­ren und einen »Regime chan­ge« aus­lö­sen. Steht eine sol­che ein­sei­ti­ge Zwangs­maß­nah­me eigent­lich in Ein­klang mit dem Völkerrecht?

So vie­les unklar in der juris­ti­schen Ein­schät­zung von Sank­tio­nen, Boy­kott und Blo­cka­de auch ist, Sank­tio­nen mit dem Ziel eines »regime chan­ge« sind ein­deu­tig rechts­wid­rig. Doch nur sel­ten wird von den sank­tio­nie­ren­den Regie­run­gen ein sol­ches Ziel offen ausgespro­chen – es wird sich also immer um einen soge­nann­ten Indi­zi­en­be­weis handeln.

»El blo­queo«, wie die Kuba­ner sie nen­nen, hat auch »extra­ter­ri­to­ria­le Aus­wir­kun­gen« auf ande­re Län­der. Was ver­steht man dar­un­ter, und gehör­ten eigent­lich nicht auch die europäi­schen Regie­run­gen auf die Ankla­ge­bank, die sich die Ver­let­zung der Sou­ve­rä­ni­tät ihrer Län­der gefal­len lassen?

Extra­ter­ri­to­ria­le oder Dritt­wir­kun­gen sind Aus­wir­kun­gen geziel­ter Sank­tio­nen, die Dritt­staaten oder deren Unter­neh­men in Mit­lei­den­schaft zie­hen, obwohl das nicht immer von geziel­ten Sank­tio­nen beab­sich­tigt ist. Dar­in unter­schei­den sich offen­sicht­lich die gegen Kuba und die z.B. gegen Syri­en gerich­te­ten Sank­tio­nen. In der juris­ti­schen Bewer­tung macht das aber kei­nen Unter­schied. Nur kann der Grund­satz der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit zu einer unter­schied­li­chen Ein­schät­zung der Dritt­wir­kun­gen führen.

Zuletzt ver­schärf­te US-Prä­­si­­dent Trump die Situa­ti­on, indem er Kuba auf die Lis­te der den Ter­ro­ris­mus begüns­ti­gen­den Staa­ten setz­te. Zur Begrün­dung hieß es, Kuba beher­ber­ge aus­ländische Ter­ro­ris­ten, dabei han­del­te es sich um eine offi­zi­el­le Dele­ga­ti­on zu den innerko­lumbianischen Frie­dens­ver­hand­lun­gen. Erhoffst Du Dir vom Aus­gang des Tri­bu­nals mehr inter­na­tio­na­le Ach­tung vor dem Völkerrecht?

Das ist schwer ein­zu­schät­zen. Aus der Erfah­rung der ver­gan­ge­nen Tri­bu­na­le schät­ze ich den Lehr-Wert sol­cher Unter­neh­men eher skep­tisch. Das letz­te Tri­bu­nal, an dem ich teil­nahm, war in Paris 2018. Es hat die Kriegs­füh­rung Erdo­gans gegen sei­ne eige­ne kur­di­sche Bevöl­ke­rung vor­nehm­lich in Süd-Ost Ana­to­li­en, Nord-Kur­­di­­stan, unter­sucht und ende­te mit einer deut­li­chen Ver­ur­tei­lung Erdo­gans und sei­ner Mili­tär­füh­rung. Der Lern­ef­fekt bei dem Ver­ur­teil­ten wie bei den ihn unter­stüt­zen­den Staa­ten – unter ande­ren die Bun­des­re­pu­blik – war gleich null.

Das Tri­bu­nal wird getra­gen von den Soli­da­ri­täts­be­we­gun­gen in Euro­pa und den USA, zudem von Juris­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen, US-Gewer­k­­schaf­­ten und der Euro­päi­schen Lin­ken. Das ist eine neue Qua­li­tät an Inter­na­tio­na­lis­mus. Steht das aus Dei­ner Sicht im Zusam­men­hang mit dem offen­si­ve­ren Auf­tre­ten latein­ame­ri­ka­ni­scher Staa­ten gegen­über den USA und der EU?

Das mag sein. Ent­schei­den­der ist aber mei­ner Ein­schät­zung nach, dass die Ein­sicht in die untrag­ba­re Situa­ti­on, die der über 60 Jah­re andau­ern­de Boy­kott und die Empö­rung über die durch nichts zu recht­fer­ti­gen­de Poli­tik aller US-Admi­­nis­­tra­­ti­o­­nen sich inter­na­tio­nal auch über Latein­ame­ri­ka hin­aus durch­ge­setzt hat.

Hin­zu kommt das Unver­ständ­nis dar­über, dass außer einer all­jähr­li­chen Ver­ur­tei­lung der USA durch die UN-Gene­ral­­ver­­­sam­m­­lung kein sicht­ba­rer Wider­stand gegen die­se zyni­sche Gewalt gegen ein klei­nes Land, dem außer einer fort­schritt­li­chen Poli­tik im Diens­te sei­ner Men­schen nichts vor­zu­wer­fen ist, auf­ge­tre­ten ist.

Du bist bekannt dafür, dass Du mit Dei­ner juris­ti­schen Exper­ti­se an der Sei­te vie­ler von Kolo­nialismus und Impe­ria­lis­mus bedräng­ter Län­der stehst. Du warst auch schon an der Freilas­sung der »Cuban Five« betei­ligt, der fünf kuba­ni­schen Auf­klä­rer, die wegen Auf­de­ckung von geplan­ten Ter­ror­an­schlä­gen lan­ge Haft­stra­fen in den USA abbü­ßen soll­ten. Nun also vorsit­zender Rich­ter des Blo­ck­a­­de-Tri­­bu­­nals. Was bewegt Dich, den Kampf so inten­siv zu führen?

Das ist auch mir ein Rät­sel, vor allem, weil ich bis­her nichts habe bewe­gen kön­nen und mir die­se Aus­dau­er nicht in die Wie­ge gelegt wur­de. Es liegt wohl dar­an, dass Sisy­phos mein Schutz­pa­tron ist, auf den schon Gün­ter Grass sich berief: »Auf ihn, der die Göt­ter läs­tert, konn­te ich mich all­zeit ver­las­sen: Sankt Sisyphos.«

Sep­tem­ber 2023.

 

Anmer­kung:

[1] Über Datum und Ort die­ses geplan­ten Tri­bu­nals haben die Mit­tei­lun­gen im Juli 2023 auf Sei­te 34 im Bei­trag »Eure Soli­da­ri­tät mit Kuba ist auch ein Kampf um eure eige­ne Sou­ve­rä­ni­tät!« infor­miert. Fer­nan­do Gon­zá­lez Llort hat­te schon am 28. März 2023 in Ber­lin dar­über gespro­chen. – Red.