• Publis­hed On: März 24, 2024Cate­go­ries: News, Wirt­schafts­po­li­tik
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  • Publis­hed On: Febru­ar 8, 2024Cate­go­ries: News, Wirt­schafts­po­li­tik
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Der Kuba­ni­sche Rubikon

By Publis­hed On: Okto­ber 13, 2021Cate­go­ries: Agrar­wirt­schaft

Mit der Agrar­re­form begann im Mai 1959 die Ver­än­de­rung der Eigen­tums­ver­hält­nis­se. Am 17. Mai 1959 pro­kla­mier­te die von Fidel Cas­tro gelei­te­te Revo­lu­tio­nä­re Regie­rung Kubas in La Pla­ta, dem ehe­ma­li­gen Haupt­quar­tier der Rebel­len­ar­mee in der Sier­ra Maes­tra, das ers­te Gesetz zur Agrar­re­form. Es trat am 3. Juni in Kraft. Wäh­rend 10.000 Groß­grund­be­sit­zer ent­eig­net wur­den, gewan­nen die land­lo­sen und land­ar­men Bau­ern – und damit 150.000 kuba­ni­sche Fami­li­en – zum ers­ten Mal die Chan­ce, von den Früch­ten ihrer Arbeit men­schen­wür­dig Leben zu kön­nen. Betrof­fen waren mehr als 2,9 Mil­lio­nen Hekt­ar Land, deren Wert damals auf eine Mil­li­ar­de US-Dol­lar geschätzt wur­de. Die­ses Land, das nun denen über­tra­gen wur­de, die es bestell­ten, hat­te zuvor kuba­ni­schen und US-ame­­ri­­ka­­ni­­schen Eigen­tü­mern zu ein­träg­li­chen Pro­fi­ten und zur Ver­meh­rung ihrer Reich­tü­mer verholfen.

Das Gesetz zur Boden­re­form war die ers­te Maß­nah­me, die eine fun­da­men­ta­le Ver­än­de­rung der Eigen­tums­struk­tur in Kuba ein­lei­te­te. Alle bis dahin von der seit Anfang Janu­ar 1959 bestehen­den neu­en Ord­nung erlas­se­nen revo­lu­tio­nä­ren Geset­ze hat­ten die bestehen­den Eigen­tums­ver­hält­nis­se noch nicht wirk­lich ver­än­dert. Das Agrar­ge­setz doku­men­tier­te dage­gen unmiss­ver­ständ­lich, zu wes­sen Guns­ten der Kampf der gegen­sätz­li­chen Inter­es­sen ent­schie­den wor­den war. Wer von der Aus­beu­tung des Boden­mo­no­pols gelebt hat­te und kein Ver­ständ­nis für die Umwäl­zung zu mehr sozia­ler Gerech­tig­keit auf­brach­te, ver­wan­del­te sich nun in einen kom­pro­miss­lo­sen und ver­bit­ter­ten Geg­ner der Revo­lu­ti­on. “Mit die­sem Gesetz hat­ten wir den kuba­ni­schen Rubi­kon über­schrit­ten”, kom­men­tier­te Fidels Bru­der Raúl Cas­tro die Maß­nah­me. In der Prä­am­bel des Geset­zes zur Boden­re­form sind Anga­ben der land­wirt­schaft­li­chen Sta­tis­tik ent­hal­ten, die 1946 nach der letz­ten Zäh­lung im vor­re­vo­lu­tio­nä­ren Kuba erstellt wor­den war. Die Zah­len bele­gen eine hoch­gra­di­ge Kon­zen­tra­ti­on des Bodens in den Hän­den weni­ger Besit­zer. Die Erhe­bung hat­te erge­ben, dass 8 Pro­zent der Grund­be­sit­zer fast drei Vier­tel der bear­bei­te­ten land­wirt­schaft­li­chen Flä­chen besa­ßen. Davon waren 4,2 Mil­lio­nen Hekt­ar im Besitz kuba­ni­scher Eigen­tü­mer und rund 1,6 Mil­lio­nen Hekt­ar waren das Eigen­tum US-ame­­ri­­ka­­ni­­scher Fir­men. Im Osten des Lan­des gehör­ten wei­te Gebie­te der US-ame­­ri­­ka­­ni­­schen United Fruit Sugar Com­pa­ny, der Guan­tá­na­mo Sugar Com­pa­ny und ande­ren aus­län­di­schen Groß­un­ter­neh­men. Von den acht­zehn Zucker­fa­bri­ken die­ser Gegend waren neun im Besitz von US-Fir­­men. Dage­gen besaß ein gro­ßer Teil der Bevöl­ke­rung kein eige­nes Land. Wäh­rend die Vor­herr­schaft der aus­län­di­schen Kon­zer­ne den Aktio­nä­ren in den USA sat­te Gewin­ne garan­tier­te, waren die wirt­schaft­li­chen und sozia­len Zustän­de im Land kata­stro­phal. Kuba bot “ein erschre­cken­des Bild wirt­schaft­li­cher Rückst.ndigkeit”. Die Mehr­heit der Bevöl­ke­rung litt unter “Elend, Armut und einem mas­si­ven Anstieg lebens­be­dro­hen­der Erkran­kun­gen”, berich­te­te Anto­nio Núñez Jimé­nez, der Direk­tor des Natio­na­len Insti­tuts für die Bodenreform.

“Sobald wir Gele­gen­heit dazu haben, wer­den wir den Boden kos­ten­los ver­tei­len”, hat­te der Coman­dan­te Raúl Cas­tro den Bau­ern bereits wäh­rend der Kämp­fe in den Ber­gen der Sier­ra Maes­tra im Namen sei­nes Bru­ders ver­spro­chen. Fidel Cas­tro hat­te bereits am 16. Okto­ber 1953 in sei­ner berühm­ten Ver­tei­di­gungs­re­de “Die Geschich­te wird mich frei­spre­chen” fünf Revo­lu­ti­ons­ge­set­ze ange­kün­digt, die nach dem Sturz der Batis­­ta-Dik­­ta­­tur umge­setzt wer­den soll­ten. Dazu gehö­re auch ein Gesetz, das “Bau­ern, Pflan­zern, Päch­tern und Tage­löh­nern unver­äu­ßer­li­che Eigen­tums­rech­te für ihr Land” zubil­li­ge, erklär­te Fidel. Im Sep­tem­ber 1958 stell­te Raúl Cas­tro in May­a­rí auf dem ers­ten Kon­gress “Cam­pe­si­no en Armas” (Bau­er unter Waf­fen) wei­ter­ge­hen­de Über­le­gun­gen der Rebel­len für eine Agrar­re­form nach dem Sieg der Revo­lu­ti­on vor. Fidel hat­te bei der Aus­ar­bei­tung auf eine Defi­ni­ti­on von Fried­rich Engels ver­wie­sen, nach der die arme und land­lo­se Bau­ern­schaft jene Klas­se sei, “die den indus­tri­el­len Arbei­tern der Städ­te am nächs­ten steht, die mit ihnen die­sel­ben Lebens­be­din­gun­gen teilt, die sogar noch tie­fer im Elend steckt als sie”. Weil die Herr­schen­den um die „ver­bor­ge­ne Macht“ die­ser Klas­se wüss­ten, schrieb Engels, lie­ßen “sie absicht­lich die Schu­len ver­kom­men, damit sie nur ja unwis­send blei­be”. Denn “von dem Tage an, wo die Mas­se der Land­ta­ge­löh­ner ihre eige­nen Inter­es­sen ver­ste­hen gelernt hat, ist eine reak­tio­nä­re, feu­da­le, büro­kra­ti­sche oder bür­ger­li­che Regie­rung … unmög­lich” (MEW 16, S. 400).

Für Fidel Cas­tro schien Engels hier eine Situa­ti­on zu beschrei­ben, in sich auch Kuba befand. Bei einer Bevöl­ke­rung von etwas mehr als sechs Mil­lio­nen Men­schen, leb­ten drei­ein­halb Mil­lio­nen “in Hüt­ten, Bara­cken und elen­den Löchern, die alles ande­re als men­schen­wür­di­ge Woh­nun­gen waren”, erin­ner­te Cas­tro im Sep­tem­ber 1960 auf der 15. Tagung der UNO-Vol­l­­­ver­­­sam­m­­lung an die Zustän­de vor der Revo­lu­ti­on. “In den Städ­ten ver­schlan­gen die Mie­ten bis zu einem Drit­tel des Ein­kom­mens einer Fami­lie. Die Mie­ten und Strom­ta­ri­fe gehör­ten zu den höchs­ten der Welt. 37,5 Pro­zent unse­rer Bevöl­ke­rung waren Analpha­be­ten, konn­ten weder lesen noch schrei­ben. 70 Pro­zent unse­rer Kin­der auf dem Lan­de hat­ten kei­ne Leh­rer. Die Kin­der­sterb­lich­keit war sehr hoch und die durch­schnitt­li­che Lebens­er­war­tung sehr gering”. Mit dem Sieg der Rebel­len begann – nach der “zer­stö­ren­den Pha­se der alten Macht” – die “kon­struk­ti­ve Pha­se der Revo­lu­ti­on”, sag­te Fidel. Obwohl er sich zu die­sem Zeit­punkt noch nicht expli­zit auf den Sozia­lis­mus berief, kam Fidel Cas­tro offen­bar zu der Über­zeu­gung, dass wirk­li­che Ver­bes­se­run­gen und der Auf­bau einer sei­nen Vor­stel­lun­gen ent­spre­chen­den Gesell­schafts­ord­nung unter den bestehen­den Wirt­schafts­struk­tu­ren und dem bür­ger­li­chen Sys­tem nicht zu errei­chen war. Im Febru­ar 1959 war zunächst ein pro­vi­so­ri­sches Grund­ge­setz erlas­sen wor­den, das den Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess ermög­li­chen soll­te. “Wenn eine Revo­lu­ti­on von 1868 mit der Befrei­ung der Skla­ven begin­nen muss­te, hat­te eine Revo­lu­ti­on von 1959 die Pflicht, die Gesell­schaft von jenem Mono­pol zu befrei­en, kraft des­sen eine Min­der­heit den Men­schen aus­beu­te­te. Und die Aus­beu­tung des Men­schen durch den Men­schen zu besei­ti­gen bedeu­tet, das Recht auf den Besitz jener Güter zu besei­ti­gen, die der gan­zen Gesell­schaft gehö­ren und gehö­ren müs­sen”, schrieb Fidel. Das am 17. Mai 1959 pro­kla­mie­re ers­te Gesetz zur Agrar­re­form war dazu der ers­te Schritt. Spä­ter wur­den nach und nach alle Haupt­zwei­ge der Wirt­schaft in all­ge­mei­nes Volks­ei­gen­tum über­führt. Die ent­eig­ne­ten kuba­ni­schen Groß­­grund- und Fabrik­be­sit­zer mach­ten dar­auf­hin gemein­sam mit US-Unter­­neh­­mern gegen das “Gespenst des Kom­mu­nis­mus in Kuba” mobil.

Die ers­ten Maß­nah­men der USA, die bis heu­te in Kraft sind und immer wie­der ver­schärft wer­den, ver­folg­ten bereits das Ziel einer Desta­bi­li­sie­rung der revo­lu­tio­nä­ren neu­en Ord­nung. US-Prä­­si­­dent Dwight D. Eisen­ho­wer ver­häng­te 1960 die ers­ten Sank­tio­nen. Fidel Cas­tro parier­te die Angrif­fe aus Washing­ton in einer Rede vor Ver­ein­ten Natio­nen am 26. Sep­tem­ber 1960 mit den Wor­ten: “Soll nie­mand glau­ben, dass wir hier ein “mea cul­pa” anstim­men wer­den. Nichts der­glei­chen. Wir haben nie­mand um Ver­zei­hung zu bit­ten. Was wir getan haben, haben wir sehr bewusst getan und vor allem mit der fes­ten Über­zeu­gung, dass wir das Recht dazu hat­ten”. In einer ers­ten Bilanz der von der Revo­lu­tio­nä­ren Regie­rung Kubas beschlos­se­nen Ver­än­de­run­gen stell­te Cas­tro dann fest: “Unse­re Träu­me von ges­tern wur­den zu den Geset­zen von heute.”

Vol­ker Hermsdorf

CUBA LIBRE 2–2019